Rede am 8. März 2024 von Traute Badjon
"Statt Frauenstreik werden Renninger Frauen aktiv!"
Vor genau 30 Jahren, am 8. März 1994, gründete Heide Berroth, zusammen mit 12 vom gemeinsamen Ziel überzeugten Frauen, die parteiunabhängige Wählerinneninitiative Frauen für Renningen – kurz FfR – mit dem Ziel, "mehr Frauen für die Kommunalpolitik zu interessieren, sie durch das Aufstellen einer Liste zu den Wahlen von Gemeinde- und Ortschaftsrat zu unterstützen und in die entsprechenden Gremien zu bringen."
Zwei der Gründungsfrauen dürfen wir noch immer zu unseren Mitgliedsfrauen zählen: Brunhilde Arnold und Barbara Sundermann.
Bei der Rückschau kann ich mich auf mein Gedächtnis stützen und, was aber viel hilfreicher ist, auf Heides lückenlos archiviertes Material. Daraus werde ich im Folgenden einiges zitieren und ich verneige mich heute wirklich voller Bewunderung vor ihrer Energie und ihrer Weitsicht!
Voranstellen möchte ich die bekannten Worte von Hermann Hesse:
"Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne; nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewohnheit sich entraffen."
Ja, Heide hat uns Frauen der Anfangszeit doch tatsächlich verzaubert, geduldig aber beharrlich hat sie an uns g'schafft, hat es, auch über ihr damals noch kleines Netzwerk geschafft, dass wir mit auf die Reise in die Kommunalpolitik gehen, um lähmende Gewohnheiten im Gemeinderat aufzubrechen. "Frauen setzen einfach andere Schwerpunkte." Und so wurde Handeln statt Meckern zu unserem Wahlspruch.
Was vorher geschehen war - steter Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.
Dazu stand in der Sindelfinger Zeitung am 10. März 1994:
"Erschrocken", "wütend", "entsetzt". Die Vokabeln, die den Frauen bei der Männerdomäne Gemeinderat (Zusammensetzung damals 23 Männer und 3 Frauen) am Dienstagabend einfielen, schmeicheln den Herren der Schöpfung keineswegs. Insbesondere in Fragen der Familienpolitik sei eine unglaubliche Inkompetenz festzustellen!
Dann kam am 14. April der mutmachende Aufruf: Mitmachen lohnt sich für alle!
"Auch wir sind alle ganz normale Frauen und keine 'streitbaren Emanzen', wie uns das jetzt manche anhängen wollen. Im Gegenteil, für jede von uns war es wichtig, dass dies keine Aktion gegen Männer sein soll, sondern dass wir ganz bewusst mit den Männern zusammen gemeinsam an der Zukunft für unsere Stadt arbeiten möchten."
Vorrangige Themen sollten sein:
"Der Einsatz für die Interessen von Kindern und Jugendlichen, eine veränderte Verkehrspolitik und die Unterstützung einer organischen Entwicklung der Gemeinde."
Und da traute ich mich dann auch und wurde spontan Mitgliedsfrau!
Und Heide arbeitete zielgerichtet weiter an uns: "Auch nicht alle Männer, die sich bewerben, haben Erfahrung im politischen Geschäft, und manche glänzen dann auch nachher im Rat nicht mit Aktivität. Aber wenn man vor die Aufgabe gestellt ist, dann lässt sich die Sache lernen und üben!"
Der Weg in die Gemeindepolitik erschien uns auch nicht mehr so schwierig; die Texte und Fotos für unseren 1. Wahlflyer waren auch recht schnell besprochen und platziert.
Und dann kam der 12. Juni 1994 - Tag der Wahl - Auszählung in der Rankbachhalle: 6,4% für FfR - ein Sitz im Gemeinderat für Heide und ein Sitz im Ortschaftsrat für mich. DANKESCHÖN!
Natürlich ist die seit 1994 ununterbrochene Gemeinderatsarbeit unserer Gemeinderätinnen - begleitet immer aufmerksam von den Vorstandsfrauen - der Mittelpunkt unserer kommunalpolitischen Arbeit.
1999 kam Resi Berger-Bäuerle als 2. FfR-Frau in den Rat, wurde viermal wiedergewählt - welch große Anerkennung für ihre Arbeit!
Rose Marie Fischer rückte 2001 für Heide nach, wurde 2004 wiedergewählt, war streitbare Rätin bis 2019 - hat dafür gekämpft, dass im letzten Renninger Neubaugebiet die Mütter des Grundgesetzes Namenspatinnen für Straßen werden. Wildbienen, Maikäfer, Küchenschelle und Schlüsselblume wurden vorgezogen.
Bei den Wahlen 2014 bekamen die FfR 27,3% der Stimmen, 3 Sitze im Gemeinderat mit Fraktionsstatus für Resi, Rose Marie und Heide.
Yvonne Schmidt-Schwämmle ist seit 2017 - nachgerückt für Heide - im Rat und wurde 2019 wiedergewählt.
Einen Lichtstrahl möchte ich doch auch auf die Wahl im Jahr 2004 werfen, denn mit 45,83% Frauenanteil (11 Frauen, 13 Männer) war Renningen fast Spitzenreiter in Baden-Württemberg. Aber 50% wurden bisher nicht erreicht – zurzeit sind es 31%: 7 Frauen, 15 Männer.
AKTIONEN, in die wir viel Energie und viel Herzblut gesteckt haben, führten mit viel Beharrlichkeit schließlich doch noch zum anvisierten Ziel. Drei davon möchte ich stellvertretend für alle anderen anführen:
• Initialzündung für den Jugendgemeinderat war bestimmt 1996 der Diskussionsabend im Jugendhaus zur Frage: Wie kommt eine Halfpipe nach Renningen?
Unser Rat: "Ihr müsst - mit unserer Hilfe, klar - selbst aktiv werden!" 2002 wählten die Jugendlichen ihren 1. Jugendgemeinderat.
• Nachdem der Kreisfrauenbeauftragten Annegret Böhm nach 9 Jahren sehr guter Arbeit 1996 ohne Nachfolge gekündigt wurde, haben wir beim damaligen Bürgermeister B. Maier bei Nichtwiederbesetzung der Stelle durch den Kreistag eine eigene Frauenbeauftragte für
Renningen gefordert.
Genial unser:
"P.S.: Im Übrigen wundert es uns nicht, dass Sie als Mann die Kreisfrauenbeauftragte in Renningen nicht vermisst haben - wir Frauen tun es allerdings jetzt sehr wohl."
Eingestellt wurde im Januar 1997 Heidi Boner-Schilling für den Kreis.
• Durch Heides intensive Bemühungen ab Mai 2000 bekam Malmsheim schließlich wieder einen eigenen Super-Cap-Markt. Im November 2008 dann - steter Tropfen wirkt doch Wunder!
Über die zentrale Gemeinderatsarbeit hinaus gab es doch auch einige Großprojekte
Bei Heidi Boner-Schillings großem Einstiegsprojekt 1997 Frauen sehen ihre Kreisgemeinde haben die beteiligten aktiven Frauen - auch wir! - 1998 das Internationale Renninger FrauenNetzwerk gegründet, haben sechs wunderbare Internationale Frauenfeste mitorganisiert (2000,02,04,07,09,11). Und diese Feste hatten einen Nachhall bei den so interes- santen und verbindenden internationalen Tanz- Koch- Bastel- Erzähl- Nachmittagen.
In vier Erzählcafés (2001,05,06,10) haben uns Renninger Frauen ihre interessanten Berufe und Ehrenämter vorgestellt, haben uns an Wendepunkten in ihrem Leben teilhaben lassen und daran, wie es war, als Ausländerin in Renningen heimisch zu werden.
Bei drei FrauenWirtschaftsTagen, initiiert vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, ging es um Frau und Beruf/ Frauen in Männerberufen/ Wiedereinstieg und auch um den wagemutigen Schritt in die Selbstständigkeit.
Von 1996 an waren wir im Böblinger Frauen Netzwerk vertreten. 2002 bei der langen Frauenfilmnacht wurde anerkennend bemerkt, dass wir auch Organisation können - und so haben wir seit 2003 die Vorortorganisation für die Tagung für engagierte Frauen im Landkreis Böblingen übernommen, auch unter dem Namen Renninger Tagung kreisweit bekannt und beliebt. Aber ach, die 17. Im Jahr 2019 mit dem Titel "Gut ist besser als perfekt" war Corona bedingt die letzte.
So, nun bin ich fast am Ende, also... ja, als 1. Vorsitzende bin ich seit dem 9. Januar 2024 am Ende - und das ist auch gut so!! In den 10 Jahren als 2. Vorsitzende habe ich immer, zusam- men mit allen Mitglieds- und Vorstandsfrauen, unsere vorangegangenen ersten Vorsitzen- den nach Kräften unterstützt: Heide Berroth (7 Jahre), Bärbel Poehlmann (2 Jahre), und Margot Hartley (1 Jahr).
Mir zur Seite standen in den folgenden 20 Jahren als 2. Vorsitzende Rose Marie Fischer, 16 Jahre lang, und Yvonne Schmidt-Schwämmle, in den letzten 4 Jahren. Auch sie sollen hier extra dankend erwähnt sein!
Alles, was ich nun nicht gesagt, besonders herausgestellt und gelobt habe, können Sie, könnt Ihr auf unserer HomePage nachlesen. Und nun doch noch ein ganz großes Lob : diese Seiten wurden lange Jahre aller bestens betreut von unserer - nun auch ehemaligen- Schriftführerin Christa Scheck!!
So sehr haben wir uns in den letzten 2 1/2 Jahren einen Generationenwechsel in der Vorstandschaft gewünscht, und nun ist er, davon bin ich absolut überzeugt, bestens geglückt! Viel Beharrlichkeit, Weitblick, einen langen Atem und viel Erfolg wünsche ich, wünschen wir Frauen für Renningen Mareike Gude und allen im Team!
Mit auf den Weg geben möchte ich Euch einen bemerkenswerten Satz unseres Bürger- meisters Wolfgang Faißt im Grußwort zu unserem 10-jährigen Bestehen:
"Der Blick von Frauen auf soziale Belange unserer Stadt ist eine besondere Art und Weise der Betrachtung und des Umgangs mit den Themen unserer Zeit."
Tja... Frauen setzen eben einfach andere Schwerpunkte!